Urteil des BFH Rechnungsmerkmal der „vollständigen Anschrift“

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 13.6.2018, XI R 20/14
veröffentlicht am 19.09.2018

Zum Rechnungsmerkmal „vollständige Anschrift“ bei der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug

Leitsätze

1. Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug setzt nicht voraus, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der dem Unternehmer erteilten Rechnung, für dessen Unternehmen die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind, angegeben ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der leistende Unternehmer unter der von ihm angegebenen Rechnungsanschrift erreichbar ist (Änderung der Rechtsprechung).

2. § 17a UStDV 2005 ist mit Unionsrecht vereinbar.

Weitere Informationen finden Sie hier:

http://www.bundesfinanzhof.de/entscheidungen/entscheidungen-online

Pressemitteilung: BFH zweifelt an Verfassungsmäßigkeit der Nachzahlungszinsen

Pressemitteilungen des Bundesfinanzhofs

Oberster Gerichtshof des Bundes für Steuern und Zölle

Nr. 23 vom 14. Mai 2018

 

BFH zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit der Nachzahlungszinsen

Beschluss vom 25.4.2018   IX B 21/18

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015. Er hat daher mit Beschluss vom 25. April 2018 IX B 21/18 in einem summarischen Verfahren Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt. Die Entscheidung ist zu §§ 233a, 238 der Abgabenordnung (AO) ergangen. Danach betragen die Zinsen für jeden Monat einhalb Prozent einer nachzuzahlenden oder zu erstattenden Steuer. Allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung vereinnahmte der Fiskus im Bereich der Zinsen nach § 233a AO in den letzten Jahren mehr als 2 Mrd €.

 

Im Streitfall setzte das Finanzamt (FA) die von den Antragstellern für das Jahr 2009 zu entrichtende Einkommensteuer zunächst auf 159.139 € fest. Im Anschluss an eine Außenprüfung änderte das FA am 13. November 2017 die Einkommensteuerfestsetzung auf 2.143.939 €. Nachzuzahlen war eine Steuer von 1.984.800 €. Das FA verlangte zudem in dem mit der Steuerfestsetzung verbundenen Zinsbescheid für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis 16. November 2017 Nachzahlungszinsen in Höhe von 240.831 €. Die Antragsteller begehren die AdV des Zinsbescheids, da die Höhe der Zinsen von einhalb Prozent für jeden Monat verfassungswidrig sei. Das FA und das Finanzgericht lehnten dies ab.

 

Demgegenüber hat der BFH dem Antrag stattgegeben und die Vollziehung des Zinsbescheids in vollem Umfang ausgesetzt. Nach dem Beschluss des BFH bestehen im Hinblick auf die Zinshöhe für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO. Der BFH begründet dies mit der realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes, die den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletze. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreite den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich im Streitzeitraum ein niedriges Marktzinsniveau strukturell und nachhaltig verfestigt habe.

 

Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe bestehe bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Auf Grund der auf moderner Datenverarbeitungstechnik gestützten Automation in der Steuerverwaltung könnten Erwägungen wie Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung einer Anpassung der seit dem Jahr 1961 unveränderten Zinshöhe an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz i.S. des § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht mehr entgegenstehen. Für die Höhe des Zinssatzes fehle es an einer Begründung. Der Sinn und Zweck der Verzinsungspflicht bestehe darin, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhalte, dass er während der Dauer der Nichtentrichtung über eine Geldsumme verfügen könne. Dieses Ziel sei wegen des strukturellen Niedrigzinsniveaus im typischen Fall für den Streitzeitraum nicht erreichbar und trage damit die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe nicht.

 

Es bestünden überdies schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Übermaßverbot entspreche. Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirke in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung.

 

Der Gesetzgeber sei im Übrigen von Verfassungswegen gehalten zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung zu der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten gesetzlichen Höhe von Nachzahlungszinsen auch bei dauerhafter Verfestigung des Niedrigzinsniveaus aufrechtzuerhalten sei oder die Zinshöhe herabgesetzt werden müsse. Dies habe er selbst auch erkannt, aber gleichwohl bis heute nichts getan, obwohl er vergleichbare Zinsregelungen in der Abgabenordnung und im Handelsgesetzbuch dahingehend geändert habe.

Siehe auch:  Beschluss des IX.  Senats vom 25.4.2018 – IX B 21/18 –

 

Quelle: https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtssprechung

Ermittlung der zumutbaren Eigenbelastung bei den außergewöhnlichen Aufwendungen Leitsatz

1. Abweichend von der bisherigen Verwaltungsauffassung, wonach sich die Höhe der zumutbaren Belastung ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet, ist die Regelung so zu verstehen, dass nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird.

2. Der Gesamtbetrag der Einkünfte als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung ist nicht um Beträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung zu kürzen. Insbesondere ist die Anknüpfung der Bemessungsgrundlage an den Gesamtbetrag der Einkünfte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. (weiter siehe BFH v. 29.01.2017 – VI R 75/14)

Fazit: Es gibt zwar eine kleine Entlastung für den Steuerzahler, aber der volle Abzug der außergewöhnlichen Aufwendungen bleibt weiterhin aus.

 

Anhebung des Höchstbetrags für Kleinstbetragsrechnungen

Anhebung des Höchstbetrags für Kleinstbetragsrechnungen von 150,00 € auf 200,00 €.
Was gehört in eine Kleinstbetragsrechnung? Dies sind:

  • Name und Anschrift des leistenden Unternehmers..
  • Ausstelldatum
  • Menge oder Art der Lieferung bzw. Dienstleistung
  • Bruttobetrag
  • Steuersatz

Keine Aufbewahrungspflicht mehr für Lieferscheine

Für Lieferscheine gibt es seit dem 01.01.2017 keine Aufbewahrungspflicht mehr. Die Rechnung ersetzt nun den Lieferschein. Dies gilt allerdings nur, sofern die Rechnung alle notwendigen Angaben, welche zum Vorsteuerabzug erforderlich sind, enthält. Dies gilt auch für Zeiträume vor dem 01.01.2017. Überprüfen Sie daher sorgfältig ob tatsächliche alle Lieferscheine entsorgt werden können.

Kanzlei Lang